Vor vielen hundert Jahren als die Landschaft, rund um Neckar und Rems, noch dicht mit Wäldern bewachsen war, rankten sich viele Sagen und Legenden um den Ort der heute Remseck heißt. Viele unerklärliche Vorkommnisse sorgten bei den Bewohnern unseres Dorfes für Angst und Schrecken. Sie steckten tief in der Gespensterfurcht und im Hexenglauben. So galten nach dem Volksglauben kreisrunde Plätze auf Wiesen oder Saatfeldern, auf denen nichts mehr wuchs als durch den Tanz der Hexen entstanden. Dunkle versengte Kreise im Gras, runde Stellen, an deren Rand das Gras höher stand oder ringsum mit schwarzem Moos bekleidet war. Das Fest der Hexen gehe bis zum Hahnenschrei oder bis zum Frühläuten. Wer auf einen Holunderstrauch steige, könnte den Hexentanz beobachten. Wer aber dabei von den Hexen erwischt würde, den würde der schreckliche Fluch der Hexen treffen.
Es gab in der Flur Regental, beim Wäldle eine Stelle, welche der Hexentanz genannt wurde, unweit des Ortes wo wir uns heute befinden. Man erzählt sich auch in diesem Hexentanz habe es jeden Morgen Kreise gehabt, worin das Gras ganz dunkel und wie abgebrannt war. Darauf hätten in der Nacht die Hexen getanzt oder seien mit den Besen herumgeritten. Dieses Wäldle ward seither bekannt als Zauberwald.
Zur gleichen Zeit bildete sich in Aldingen die Sage vom sogenannten Schlossfräulein: Jenseits des Neckars floss beim Fellbacher Pumpwerk der sogenannte Klingelbrunnen nahe des heutigen Hardtwaldes. An dieser Stelle soll einmal ein Schloss gestanden haben. Zur nächtlichen Stunde will man auf den Neckarwiesen das Schlossfräulein gesehen haben, wie es bei Mondenschein seine Wäsche aufhing. Am nächsten Morgen erzählten sich dann die Leute: „S´Schlossfrollein het Wäsch ufghängt, s´geit ander Wetter“. Niemand wusste wer dieses Schlossfräulein war und es gab keinen Bewohner der mutig genug gewesen wäre, um sich dem Schlossfräulein zu nähern. Und so konnte keiner dessen Äußeres genauer beschreiben. Außerdem spukte es rund um das Schloss gewaltig und man hörte Tritte…
Wie zu jener Zeit in jedem Dorf üblich, war des Nachts ein Nachtwächter unterwegs. Dieser mit Mantel, Stab, Laterne, und Horn ausgerüstete Mann war einst eine äußerst wichtige Gestalt, um die Sicherheit und die Nachtruhe der Bewohner zu wahren. Unterstützt wurde er mancher Nachts durch Scharwächter, die ihm halfen, dass der Polizeistund Genüge getan wurde.
Eines Nachts, als der Nebel besonders dicht über dem Neckar stand, machte sich der Nachtwächter mit seinen Scharwächtern auf die allnächtliche Runde. Als sie sich dem Schloss näherten, sahen sie plötzlich eine wundersame Gestalt am Flussufer. Da sich zu solch später Stund niemand mehr auf den Gassen aufhalten durfte, denn dies war mit Strafe belegt, näherten sie sich dieser sonderbaren Person. Als sie die wundersame Gestalt ansprachen, drehte sie sich um, schaute sie mit ihren tief grünen Augen an und verschwand augenblicklich im dichten Nebel. Sollte dies etwa das Schlossfräulein gewesen sein? Es schien als schwebte sie über den Fluss. Die Schar der Nachtwächter war sich gewahr geworden, dass es sich um eine Frau handelte. Verzaubert von ihrem Anblick eilten sie zur nahe gelegenen Brücke, um ebenfalls auf die andere Seite zu gelangen. Voller Neugier getrieben, folgten sie ihr in Richtung Regental, wohin sie entschwand. Als sie das Wäldle erreichten, schien es als beobachteten sie hunderte von leuchtenden Augen.
Plötzlich brach der Mond hinter einer Wolke hervor, und sie mussten erkennen, dass sie von einer Gruppe Frauen, von kleinen und großen Hexen, umgeben waren. Sie sahen, dass sie inmitten eines Hexentanzes, einem Kreis von abgebranntem Gras, standen. Der Schrecken fuhr ihnen in die Knochen, ob des Ortes, an dem sie sich befanden. Eine der Hexen, trat auf sie zu. Sie trug eine graue Bluse, einen schwarzen Rock mit einer grünen Schürze und ein grünes Tuch auf dem Kopf. Sie erkannten in ihr die wundersame Gestalt mit den tief grünen Augen wieder. Aus der Nähe betrachtet hatte sie nichts Böses oder Gruseliges an sich. Vor allem die Scharwächter in ihrer kindlichen Unvoreingenommenheit sahen, dass sie freundlich war. Sie sprach: „Warum verfolgt ihr mich? Wollt ihr mich und die Meinen jagen und bestrafen, so wie alle Bewohner des Dorfes, nur weil wir Hexen sind? Wir wollen niemand etwas Böses, wir wollen nur unsere Tradition wahren.“ Es lag sehr viel Sanftmut in ihrer Stimme und der Nachtwächter und seine Scharwächter erkannten, dass von den Hexen keine Gefahr ausging. Vielmehr waren sie sich sicher, dass man die Hexen schützen müsse. Sie sicherten ihnen zu, dass, sofern sie den Zauberwald nicht verließen, ihnen kein Unheil geschehen solle.
Die Nachtwächter versprachen, die Hexen vor den Bewohnern des Dorfes zu schützen, und im Gegenzug halfen die Hexen den Nachtwächtern mit ihrer Zauberkraft, die Bewohner von Remseck zu schützen. Und so lebten sie von dieser Nacht an in Frieden und Eintracht zusammen. Sie trafen sich oft im Schutze der Nacht und im Laufe der Zeit weihten die Hexen auch den Nachtwächter und die Scharwächter in ihre geheimen Zauberkünste ein. Gemeinsam sorgten sie fortan als Hexenmeister und Regentalhexen für das Wohl der Bürger von Remseck.
Die glückliche Gemeinschaft wurde bald über die Grenzen von Remseck bekannt. So kam es, dass selbst ein einsam lebendes Waldwesen aus dem Hartwald davon erfuhr. Die Gemeinschaft war zunächst misstrauisch gegenüber dem Hartwaldtroll, der sich ihnen anschließen wollte. Sein Ruf als düsterer und grober Einsiedler hatte sich in der Region schnell verbreitet. Doch mit der Zeit merkten die Dorfbewohner, dass der Hartwaldtroll nicht mehr der gleiche war wie früher. Er schien sich verändert zu haben und zeigte eine unerwartete Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft. Zudem war er ein talentierter Handwerker und half gerne bei Bau- und Reparaturarbeiten im Dorf. So wurde er schließlich von der Gemeinschaft akzeptiert und als wertvolles Mitglied aufgenommen – auch wenn er der einzige war, der nicht aus Remseck stammte.